Integrationshilfen – (schulische) Teilhabe in der Verantwortungsgemeinschaft von Jugendhilfe, Schule und Sozialhilfe gestalten

Projektbeschreibung

Vor über 10 Jahren trat in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Kraft. Im Zuge ihrer Umsetzung besteht die Verpflichtung, gesellschaftliche Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen in allen Lebensbereichen – unabhängig von einer bestehenden Beeinträchtigung/Behinderung – sicherzustellen und ihnen den Zugang zum allgemeinen Bildungssystem zu ermöglichen (Art. 24 Abs. 2 UN-BRK).

Dies fordert die bestehenden Strukturen zwischen der Jugend- und Sozialhilfe sowie der Schule heraus, da Zuständigkeiten, Aufgaben, Rollen und Kooperationen vor dem Hintergrund einer inklusiven Neuausrichtung (erneut) hinterfragt werden (müssen). Die UN-BRK hat seither umfassende Dynamiken ausgelöst. Vieles wurde bereits angestoßen, verändert und bewegt. Dennoch mangelt es häufig noch an tragfähigen Konzepten zur Umsetzung des inklusiven Unterrichtes, an den notwendigen organisatorischen und institutionellen Strukturen sowie an konzeptionell neu ausgerichteten Unterstützungsangeboten, um schulische Teilhabe für betroffene Kinder und Jugendliche zu gestalten. Besonders deutlich wird dies an der Schnittstelle zwischen Jugend- und Sozialhilfe und Schule anhand der Entwicklungen der Eingliederungshilfe. Diese wird in Form von Integrationshilfen/ Schulbegleitungen gegenwärtig vorrangig für die Ermöglichung des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderung an (Regel-) Schulen – auch vor dem Hintergrund der Umsetzung des neuen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) – eingesetzt. Trotz vieler Unklarheiten und regionaler Disparitäten steigt die Inanspruchnahme von Integrationshilfen bundesweit stetig.
Die aktuelle Praxis verdeutlicht, dass der Einsatz dieser Schulbegleitungen als individuelle Begleitung junger Menschen, im Sinne einer Unterstützung zur angemessenen Schulbildung je nach Ausgestaltung positive Effekte haben kann, aber aus fachlich-konzeptioneller und struktureller Perspektive – auch vor dem Hintergrund einer steigenden Inanspruchnahme – zunehmend problematisch erscheint. Kritisch diskutiert werden derzeit die mögliche stigmatisierende Wirkung der Einzelbetreuung und der mitunter uneffektive Einsatz von Ressourcen. Insgesamt ergeben sich aus den skizzierten Entwicklungen Unsicherheiten für die Kommunen, öffentlichen und freien Träger der Jugendhilfen und die Schulen, die neben der fachlichen Ausgestaltung der Hilfe auch mit der Herausforderung konfrontiert sind, diese effizient zu steuern.
Vor dem Hintergrund der steigenden Inanspruchnahme sowie der damit verbundenen gestiegenen Anforderungen der fachlichen, aber auch ökonomischen Steuerung der Integrationshilfe wird zunehmend über einen alternativen Einsatz von Integrationshilfe und in diesem Zusammenhang über sogenannte Poollösungen diskutiert. Bundesweit gibt es dazu derzeit vielfältige Modellprojekte. Wie diese Regelung in der Praxis am sinnvollsten umgesetzt werden kann und welche Konsequenzen sich daraus auf institutioneller, organisatorischer und fachlich-konzeptioneller Ebene ergeben, ist bislang jedoch unklar.
Diesen Fragen und Weiterentwicklungsbedarfen stellte sich das seit dem 01. Oktober 2018 von der Stiftung Jugendmarke e.V. für zwei Jahre geförderte Praxisforschungsprojekt „Integrationshilfen – schulische Teilhabe in der Verantwortungsgemeinschaft von Jugendhilfe, Schule und Sozialhilfe gestalten“, welches der AFET Bundesverband für Erziehungshilfe e.V. in Kooperation mit dem Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz gemeinnützige GmbH (ism gGmbH) durchführt. Daneben konnten zwölf Kooperationspartner*innen der öffentlichen und freien Jugendhilfe aus vier Bundesländern für die Mitarbeit gewonnen werden. Im Dialog werden im Rahmen des Projekts aktuell drängende Fragestellungen und Entwicklungstrends im Bereich schulischer Integrationshilfen für junge Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Umsetzung an der Schnittstelle unterschiedlicher Institutionen sowie Rechts- und Sozialleistungssysteme bearbeitet.
Das Forschungsprojekt erfreut sich seit Beginn – auch aufgrund der aktuellen politischen und sozialen Dynamik in diesem Feld –  bundesweit großen Interesses. Im Fokus der Projektarbeit stehen neben der systematisch-wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themenfeldes, vor allem der (Informations-) Austausch über konzeptionelle Ansätze zur Kooperation der Systeme und zur Gestaltung der Schnittstellen sowie Vereinbarungen über das Einsetzen der SchulbegleiterInnen in der Praxis. Vor allem die im Rahmen des BTHG erstmals mögliche Praxis des „gepoolten“ Angebotes von Integrationshilfen wirft zusätzliche Fragen auf, die sich insbesondere auf die Bedarfsfeststellung und individuelle Förderung im Setting eines Gruppenangebotes beziehen. Das Projekt setzt dabei auf einen kontinuierliche und wechselseitige Rückkopplung der Erkenntnisse zwischen Forschung und Praxis. Dies stellt darüber hinaus sicher, dass die Akteure vor Ort (Fachkräfte der Schule, Jugend- und Sozialhilfe) nicht nur konkrete Hilfestellung erfahren, sondern ihre Perspektiven unmittelbar in die Forschungsergebnisse des Projektes fließen. Die Erkenntnisse werden breit öffentlich multipliziert und auf der Projekthomepage www.schulische-teilhabe.de veröffentlicht.

Präsentation zum Projekt: PDF